Lateinamerika spürt zunehmend den Druck Chinas – DW – 03.06.2024

Lateinamerika spürt zunehmend den Druck Chinas – DW – 03.06.2024
Lateinamerika spürt zunehmend den Druck Chinas – DW – 03.06.2024
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Die Nachricht überraschte guatemaltekische Exporteure: Lokale Medien berichteten, dass China den Import von guatemaltekischem Kaffee und anderen Produkten verboten habe. Eine offizielle Erklärung gab es nicht, aber der guatemaltekische Präsident Bernardo Arévalo spekulierte, dass es etwas mit den Beziehungen seines Landes zu Taiwan zu tun haben könnte. „Wir kümmern uns darum“, sagte er.

Guatemala ist neben Paraguay das einzige lateinamerikanische Land, das diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält. Peking betrachtet den Inselstaat als Teil Chinas. In den letzten Jahren haben Honduras und Nicaragua ihre Haltung geändert und sich von Taiwan weg und hin zu China bewegt.

China: viele kleine Konflikte in Lateinamerika

Die Blockade guatemaltekischer Produkte ist einer von vielen kleinen Konflikten, die Chinas langen Wachstums- und Expansionspfad in Lateinamerika allmählich zu überschatten beginnen.

Allerdings seien die Konflikte anderer Natur, sagt Vladimir Rouvinski vom Institut für Politikwissenschaften der Icesi-Universität in Kolumbien im Gespräch mit der DW. „In diesem Fall handelt es sich eindeutig um ein Druckmittel, das China einsetzt. Nicht so sehr gegen Guatemala, sondern eher gegen Taiwan.“

In Costa Rica übte die Regierung Druck auf einen Manager des staatlichen Energieunternehmens ICE aus, das Unternehmen zu verlassen, weil rund 70 hochrangige Mitarbeiter an einer Party des chinesischen Technologieriesen Huawei teilnahmen.

Die Gewerkschafter reagierten entsetzt. Der Präsident von ICE, Marco Acuña, forderte mehr Sensibilität gegenüber den „Vergabeverfahren und einigen Rechtsstreitigkeiten“, die sich gleichzeitig entwickelten. Das Verhalten der betroffenen Mitarbeiter könne „dem Image der Einrichtung und unserem Ruf“ schaden.

Eine „Botschaft an China“ vom Präsidenten von Costa Rica

Die Beziehungen zwischen Costa Rica und Huawei sind angespannt, nachdem Präsident Rodrigo Chaves das Budapester Übereinkommen zur Bekämpfung der Cyberkriminalität, das China nicht unterzeichnet hat, zum Standard für wirtschaftliches Engagement in Costa Rica gemacht hat. Der Huawei-Chef in Lateinamerika kritisierte dieses Vorgehen Costa Ricas später als „unprofessionell“.

Für den Politikwissenschaftler Rouvinski ist Chávez‘ Vorgehen „eine Botschaft an Peking, dass auch China die Spielregeln respektieren muss“.

Das Budapester Übereinkommen ist das erste internationale Übereinkommen zu über das Internet begangenen Straftaten. Zu den Interessengebieten gehören Urheberrechtsverletzungen, Computerbetrug und Verstöße gegen die Netzwerksicherheit.

Es gibt weitere Beispiele für wirtschaftliche Konflikte zwischen China und lateinamerikanischen Ländern. Dazu gehört auch die Wut über billigen Stahl aus China, der die lateinamerikanischen Produzenten enorm unter Druck setzt. In Brasilien sehen sich Modegeschäfte durch Billigtextilien aus China in ihrer Existenz bedroht. Auch Vorwürfe, dass chinesische Unternehmen mit ihrer Produktion der Umwelt schaden, sorgen für Diskussionen.

Brasilien erhebt Zölle auf Importe aus China

Brasilien wehrt sich nun mit einer Steuer von 20 Prozent gegen Billigimporte aus China. Dies gilt für Bestellungen im Wert von weniger als 50 US-Dollar, die über internationale Websites aufgegeben werden. Nach Angaben brasilianischer Medien war der chinesische Online-Riese AliExpress von der Entscheidung „überrascht“. Die Steuer werde vor allem die Ärmsten treffen und ausländische Investitionen im Land abschrecken, warnte er.

Die chinesische Handelsplattform Temu ist auch in Brasilien verfügbarBild: Rafael Henrique/SOPA/picture Alliance

Im Textilsektor ist die Wut gegenüber chinesischen Zulieferern groß, weil Konzerne wie Shein, die unter anderen Bedingungen produzieren können als kleine brasilianische Unternehmen, bereits Tausende lokale Unternehmen vom Markt verdrängen. In der Bevölkerung wächst der Eindruck, dass Chinas Strategie eher dazu führt, lokale Unternehmensstrukturen zu zerstören, als ihnen zu ermöglichen, von ihnen zu profitieren.

Wer profitiert von den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Lateinamerika und China?

„In letzter Zeit werden die Herausforderungen und Risiken, die mit dem Aufstieg Chinas zu einem dominanten Akteur in vielen Wirtschafts- und Technologiebereichen verbunden sind, in Lateinamerika immer deutlicher“, sagt Lateinamerika-Experte Christian Hauser von der Fachhochschule Graubünden in der Schweiz.

Hinzu kommt eine außenpolitische Komponente: „Lateinamerikanische Länder geraten zunehmend in die geopolitische Rivalität zwischen den USA und China“, sagt der Experte. „In diesem Zusammenhang sind die aktuellen Spannungen zwischen einigen zentralamerikanischen Ländern wie Guatemala, Costa Rica und China wahrscheinlich nur der Anfang konfliktreicherer Beziehungen in der Zukunft.“

Lediglich zu Nicaragua scheinen die Beziehungen Chinas intakt zu sein. Die autoritäre Regierung hat zahlreiche Nichtregierungsorganisationen verboten, darunter viele, die sich aktiv für den Umweltschutz einsetzen. Regierungskritische Medien in Nicaragua berichten, dass chinesische Unternehmen dort in etwas mehr als sechs Monaten 13 Lizenzen für Bergbauprojekte erhalten haben.

(rml/cp)

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