Wo die extreme Rechte aufgewachsen ist – DW – 10.06.2024

Wo die extreme Rechte aufgewachsen ist – DW – 10.06.2024
Wo die extreme Rechte aufgewachsen ist – DW – 10.06.2024
-

Die vorläufigen Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament deuten darauf hin, dass Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale weiterhin über eine große Mehrheit verfügen werden. Konkret gehören 401 der 720 gewählten Europaabgeordneten diesem Sektor an, der mit der europäischen Integration verbunden ist. Im Vergleich zur letzten Legislaturperiode verloren sie 16 Sitze, vor allem aufgrund der Verluste der Liberalen. Aber die Christdemokraten – angeführt von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von de Leyen – erhöhten ihre Zahl und erhielten neun zusätzliche Sitze.

Die Liberalen und die Grünen sind schwächer geworden, die Rechtsnationalisten und die extreme Rechte haben zugelegt, doch am Kräfteverhältnis im Europäischen Parlament hat sich nicht viel geändert. Die beiden rechten Koalitionen ECR und ID erreichten zusammen 18,2 Prozent, was einem Plus von nur 1,5 Prozent entspricht.

Ist das der befürchtete Rechtsruck im Europaparlament? „Nein“, sagte Pawel Zerka vom Analysezentrum European Council on Foreign Relations gegenüber der DW. Seiner Meinung nach sind „die größten Auswirkungen dieser Wahlen in den europäischen Hauptstädten zu beobachten und nicht so sehr in der parlamentarischen Vertretung in Brüssel, weil in einigen EU-Ländern die Wählerstimmen der Rechten zunahmen, in anderen jedoch weniger.“ die erwarteten.

Panik in Frankreich?

Besonders groß war die Wirkung in Frankreich. Präsident Emmanuel Macron, ein Liberaler, reagierte auf das erwartete gute Ergebnis der Rechtspopulisten von Marine Le Pen mit einer Überraschungsmaßnahme: Er löste die Nationalversammlung auf und berief Neuwahlen für den 30. Juni ein.

„Marine Le Pen hat ihre Position als stärkste Kandidatin für die Präsidentschaft Frankreichs bestätigt“, sagt Zerka. Sie wird 30 Parlamentarier ins Europaparlament schicken und Macron nur 13. „Vielleicht hat Präsident Macron beschlossen, vorgezogene Neuwahlen auszurufen, um das zu verhindern.“ sagt Zerka, schließt aber nicht aus, dass Le Pens Einfluss rapide wachsen könnte, wenn er Teil der nächsten Regierung in Paris wird. Denn es könnte sein, dass Macron jemanden aus den Reihen der Rechtspopulisten zum Premierminister ernennen muss Im Falle eines Wahlsiegs begrüßte Marine Le Pen jedenfalls die Ankündigung des Präsidenten und sieht sich bereits als seine Nachfolgerin im Elysee-Palast.

Italien: Meloni festigt seinen Vorsprung

Die nationalistische Rechte der „Fratelli d’Italia“, die seit 18 Monaten mit Giorgia Meloni regiert, ging aus der Europawahl mit 28 Prozent als stärkste Kraft im Land hervor. Melonis Streitkräfte in Straßburg werden von 10 auf 24 Parlamentarier wachsen. Gleichzeitig wird die Lega, die rechtsextreme Partei von Mateo Salvini, von 22 auf 8 schrumpfen. Folglich wird die Zahl der Sitze der italienischen Rechtsextremen im Europäischen Parlament mehr oder weniger gleich bleiben.

Beobachter glauben, dass es in Rom zu einer Regierungskrise kommen könnte, wenn Salvini beschließt, die Koalition mit Meloni zu brechen, anstatt möglicherweise die Führung seiner Partei zu verlieren.

Meloni, die Nummer eins in Italien.Bild: Elisa Gestri/Sipa USA/picture Alliance

Deutschland: Rechtsstoß

Die Christdemokraten haben wie schon 2019 die Europawahl in Deutschland gewonnen und werden 29 Parlamentarier nach Straßburg entsenden. Und die teils rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) gewann trotz diverser Skandale 15 Sitze. Mit diesem Ergebnis lag er vor den Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, die in Berlin die Regierungskoalition bilden. Den größten Verlust mussten die Grünen hinnehmen: 9 von 22 Sitzen, die sie hatten.

Polen und Ungarn

Der letztjährige Regierungswechsel in Polen spiegelte sich nun auch in den Europawahlen wider. Die Christdemokraten übernehmen die Führung und die PiS verliert einige Mandate. Polen wird folglich weniger Vertreter der nationalistischen Rechten entsenden.

Die nationalkonservative Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban verlor zwei Sitze. Mit 10 Parlamentariern wird es jedoch immer noch die größte Delegation sein, die Ungarn ins Europäische Parlament entsendet.

Das Recht auf der Iberischen Halbinsel

Die Volkspartei war der Gewinner der Europawahlen in Spanien. Sie erhöhten sich von 13 auf 22 Sitze. Den Sozialisten von Regierungspräsident Pedro Sánchez gelang es, mit 20 Sitzen mehr oder weniger auf ihrem alten Niveau zu bleiben, während die rechtsextreme VOX von vier auf sechs Sitze stieg. Portugal seinerseits wird erstmals zwei rechtskonservative Abgeordnete ins Europaparlament entsenden. Kurz gesagt, die Iberische Halbinsel neigt sich nach rechts.

Unterdessen wurde in Österreich die rechtsextreme FPÖ zur wichtigsten politischen Kraft, knapp vor den Christdemokraten.

Und in Luxemburg, dem kleinen Fürstentum, das mehrere Institutionen der Europäischen Union beherbergt, wurde erstmals ein Rechtspopulist gewählt. Er wird einer der sechs luxemburgischen Vertreter in Straßburg sein.

(ers/ms)

-

PREV Wo man in Pilar die weltmeisterlichen Pizzen probieren kann
NEXT Sicherheitsrat „begrüßt“ Plan für Waffenstillstand in Gaza